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Hey Sina, warum gibt es ausgerechnet an Familienfesten immer so viel Streit?

Es gibt bestimmt vielfältige Gründe – ich möchte hier gerne einen aufgreifen, der sich unter „ich weiß, wer du warst, wer du bist und wer du immer sein wirst“ zusammenfassen lässt. Schließlich kennen wir niemanden so gut wie unsere Familienangehörigen!

Aber stimmt das wirklich? Die intensiv miteinander verbrachte Zeit kommt meist auf etwa 18 Jahre – bei Geschwistern auch gerne kürzer. Und diese Zeit ist im Zweifel auch schon eine ganze Weile her. Wenn ich so zurückdenke, habe ich mit meinen nun 38 Jahren kaum mehr etwas mit der 18jährigen von damals gemein. Und auch meine Mutter wird sich in den knapp 20 Jahren seit meinem Auszug wohl in irgendeiner Form weiterentwickelt haben. Trotzdem begegnen wir uns gerade bei traditionell geprägten Familienfesten – an die wir viele Erinnerungen haben – oft so, als würden wir den anderen ganz genau kennen.

Ob wir wollen oder nicht, schwingt dieses vermeintliche Wissen über das Wesen des anderen in unserer Kommunikation mit. Wenn ich davon ausgehe, dass meine Schwester „wie immer“ Probleme mit der Pünktlichkeit haben wird, werde ich ihr den Zeitpunkt des Treffens z.B. nicht auf dieselbe Art und Weise mitteilen, als wenn ich diese Historie nicht hätte. Meine (vll. unterbewusste) Erwartung, beeinflusst also mein Verhalten -und das beeinflusst wiederum die Reaktion der Gegenseite…und schon steht der Weihnachtsbaum sinnbildlich in Flammen.

So weit, so analysiert – aber wie lässt es sich ändern?
Zum einen können wir uns vorab aktiv vornehmen, die anderen beim nächsten Familienfest nochmal neu kennenzulernen. Um auch deinem Gehirn wirklich Offenheit zu signalisieren, achte darauf, in Fragen nicht schon eine Erwartung zu transportieren Ganz simples Beispiel: „Möchtest du heute einen Glühwein“ – anstatt „Du magst ja keinen Glühwein, oder?“.

Ihr werdet merken, es ist gar nicht so einfach, sein Gehirn auszutricksen. Denn ein erwartetes Verhalten wird euch deutlich mehr auffallen als ein neues Verhalten. Also selbst wenn euer Bruder an diesem Abend in sieben von acht Fällen mit einem „Dankeschön“ auf eine Aufmerksamkeit reagiert, wird das achte Mal im Zweifel direkt ein „er ist einfach undankbar, war er schon immer und wird er immer sein“ triggern. Versucht also fair zu bleiben!

Außerdem habt ihr die Herausforderung, dass die anderen Anwesenden diesen Beitrag hier eher nicht gelesen haben. Daher müsst ihr vll. auch die Unbedachtheit der anderen mit ausgleichen. Die meisten Konflikte lassen sich bereits vermeiden, wenn man sich vor einer Reaktion zwei Fragen stellt:

  • Nehme ich etwas vorweg?
  • Nehme ich etwas persönlich?

Also: Hat der andere das wirklich so gemeint, wie es bei mir gerade ankommt? Oder ist das nur meine Interpretation? Und: Ärgere ich mich vll. ganz persönlich einfach über den Sachverhalt, aber die Person hat gar nichts damit zu tun.

Wenn wir das beachten und selbst immer unser Bestes geben, möglichst klar zu formulieren, hat das das nächste Familienfest eine echte Chance auf den Harmonie-Award.